G wie Gemeinschaft, G wie Gnade

Geliebte Gemeinde,

 „Gemeinschaft 4.0 – was bringt uns heute zusammen?“ Ich erinnere mich daran, dass wir dieses Jahresmotto für 2019 im Leitungskreis gewählt haben, weil uns Gemeinschaft in Zeiten der beschleunigten Digitalisierung mindestens im Wandel, vielleicht sogar auf eine besonders problematische Art und Weise brüchig erschien.

Von unseren Referent*innen haben wir einiges gehört, wie und wo Gemeinschaft durch digitale Tools und Prozesse bedroht oder brüchig ist.

Das Gegenteil von Armut

Andacht gehalten über Sprüche 14,34 auf dem Sozialpolitischen Buß- und Bettag am 20.11.2019 in der Evangeliumskirche München

Geliebte Schwestern und Brüder,

sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

„das Gegenteil von Armut ist nicht Reichtum; das Gegenteil von Armut ist Gerechtigkeit.“

Den ich hier zitiere, der schafft in einem anderen Land öffentliches Bewusstsein für Menschen am Rande. Bryan Stevenson arbeitet seit vielen Jahrzehnten in den USA als Strafverteidiger in Gerichtsverfahren, in denen die Anklage die Todesstrafe fordert. 

In der Regel begleitet er dabei Mandanten, zum Teil auch Minderjährige, die in ärmliche Verhältnisse geboren wurden, die in ihrem Leben traumatisiert wurden, die Gewalt, Rassismus, Hunger, Obdachlosigkeit oder Missbrauch erlebt haben.

Sein Einsatz für diese Menschen besteht insbesondere darin, ihre Stimmen hörbar zu machen, ihnen ein Gesicht zu geben, ihre Lebensgeschichten in die Waagschale zu werfen und natürlich dabei immer wieder die Frage aufzuwerfen, ob die Todesstrafe überhaupt für irgendeinen seiner Mandanten ein gerechtes Urteil sein kann.

Ich war diesen Sommer vor Ort in Alabama, dort, wo Bryan Stevensons Organisation beheimatet ist. Dabei ist mir eines noch einmal sehr deutlich geworden: Menschen, die am gesellschaftlichen Rande stehen, die werfen nur durch ihre Präsenz die Frage für eine Gesellschaft auf, was da als gerecht gilt. Diese Frage birgt in der Regel Sprengstoff. Sie fordert nämlich auf, da hinzuschauen, wo es unangenehm und hässlich wird, wo die dunklen, die geradezu dämonischen Seiten eines gesellschaftlichen Konsenses schlummern, da, wo gutes Leben einfach nicht mehr möglich ist, auch weil es verunmöglicht wird.

Es ist schwer und unangenehm, mühselig und traurig, sich mit diesen Seiten zu befassen. Und daher neigen diejenigen, die nicht am Rande stehen, dazu, jene Menschen, die diese Seite durch ihre schiere Präsenz ans Licht bringen, in irgendeiner Weise zum Verschwinden zu bringen. In den USA geschieht dies auch, indem man sie nach geltendem Recht und Gesetz tötet.

So was von verlassen?

Predigt am vorletzten So. im Kirchenjahr in der Friedenskirche Dachau zu Hiob 14

Geliebte Schwestern und Brüder,

der da spricht, dessen Geschichte ist den meisten von uns zumindest in groben Zügen vertraut. Es ist Hiob, von dem es gleich zu Beginn seiner Geschichte im nach ihm benannten Buch der Bibel heißt: „Der war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse.“

Ein Mann wie aus dem Bilderbuch der Gerechten und Gottesfürchtigen, Vorbild in jeder Hinsicht und daher auch – folgerichtig – von Gott reich gesegnet. Sieben Töchter und sieben Söhne waren ihm geschenkt – symbolträchtig all das, weil ja die Sieben als heilige Zahl galt. Tausende von Schafen, Kamelen, Rindern und Eselinnen – und damit, was man so an Nutztieren besitzen kann, nannte er sein eigen; dazu „sehr viel Gesinde“, d.h. Knechte und Mägde, die sich um all das kümmerten. Kein Wunder, dass es von Hiob weiter heißt: „Er war reicher als alle, die im Osten wohnten“.

Und dieser reiche Mann gerät unter die Räder, verliert alles, wirklich alles, Familie und Besitz; allein das nackte Leben bleibt ihm. Das ist die Geschichte, in der wir uns vorfinden: einer, den das Glück sowas von verlassen hat – oder eben: den Gott verlassen hat.

Zurück bleiben Fragen, vielleicht sogar die eine wesentliche: Warum? Warum ist das geschehen? Wer hat Schuld daran? 

Was bringt uns in digitalen Zeiten zusammen?

Geliebte Gemeinde,

die heutige Veranstaltung steht wie die anderen in 2019 unter dem Jahresmotto „Gemeinschaft 4.0 – was bringt uns heute zusammen?“. Ich erinnere mich noch gut, dass dieses Motto in unserem Leitungskreis aus der Idee entstand, so eine Veranstaltung wie heute zu machen. Lieber Wolfgang, du hast damals von Deiner Irritation gesprochen, dass und wie Smartphones und andere Endgeräte in deiner Wahrnehmung das Zwischenmenschliche, die Gemeinschaft, die Kommunikation stören, hier und da auch zerstören, zumindest verändern.

Es ist gut, dass wir heute Abend noch einmal einen differenzierten Blick darauf gewonnen haben – einen Blick, der nur in Gemeinschaft möglich ist.

Ich frage mich, ob dies eine Spur sein könnte, mit all dem, was uns als Eltern und Lehrkräfte, als Unternehmer und Christen so umtreibt, gut umzugehen. Einfach immer wieder in den Austausch gehen, um mit den eigenen Fragen und Sorgen nicht allein zu bleiben.

Hier, so denke ich, können wir als Ältere dann auch etwas von den Jüngeren lernen, denjenigen, die als Digital Natives nicht wie die Digital Immigrants zwischen analoger und digitaler Welt unterscheiden. Denn der Dialog, das Miteinander ist ja genauso mit und über digitale Tools möglich.

Gebot 8.0

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

mein Name ist Peter Lysy. Ich bin einer der Pfarrer im kda und darf nun den offiziellen Teil unserer Veranstaltung hier auf dem Digital Festival beschließen. In der Kirche läuft das meistens so, dass einer noch einen Segen spricht oder ein Gebet.

Ich möchte mit euch noch kurz ein paar Gedanken teilen – und zwar zu einem der zehn Gebote, das mich in Sachen Digitalisierung zunehmend beschäftigt. Es ist das achte Gebot. Wer kennt es?

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Im Allgemeinen denkt man es so: Du sollst nicht lügen. Und dann geht schnell eine Diskussion los, was Lügen eigentlich ist – und was nicht.

Menschenfurcht und Gottesfurcht

Geliebte AEU-Gemeinde,

„Pöhler“ – das stand auf dem Käppi, das Jürgen Klopp trug, als er noch Trainer bei Borussia Dortmund war. Jürgen Klopp, Kult-Coach und seit diesem Jahr mit Liverpool endlich auch Champions League-Sieger. 

Das Pöhler-Käppi war damals Kult. „Pöhler“ –  das ist die Bezeichnung im Ruhrpott für Straßenfußballer. Einer, der aus reiner Freude am Spiel kickt. Insofern war es passend, warum Klopp dieses Käppi tatsächlich trug. Nicht nur, weil er in der Regel als fussball- und lebensfroher Mensch rüber kommt, sondern weil er unter diesem Käppi seine neue Vitalität verbarg. Unter dem Käppi konnte nämlich ungestört seine frisch verpflanzte Haarpracht heranreifen, bis sie öffentlich präsentabel war.

Haare sind eben mehr als Haare. Das merkt man als Mann, wenn sich trotz Alpecin die Freiflächen auf dem eigenen Schädel nach und nach ausbreiten und was dann noch von der einstigen Haarpracht übrig ist, auch noch ergraut. 

Über die Wohnlichkeit der Welt

Predigt an Jubilate 2019 in der Friedenskirche Dachau zu Sprüche 8,22-36

Geliebte Schwestern und Brüder,

„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zupft.“ So hat es kürzlich einer zu mir gesagt, als wir uns über die Fußballmannschaft meines Sohnes unterhalten haben. Die Jungs spielen gerade eine Saison, die die Erwartungen so mancher schlicht und ergreifend nicht erfüllt. Enttäuschung macht sich breit und es passiert, was im Kinderfußball dieser Tage leider allzu häufig passiert: Es wird schnell vergessen, dass da Kinder spielen, die keine Roboter sind und auch keine Weltmeister.

Nun spreche ich das nicht an, um Ihnen hier am Sonntag Morgen etwas über meine gesammelten Fußballerkenntnisse zu erzählen, sondern vielmehr, weil mir dieser Spruch mit Blick auf unseren Predigtabschnitt mit gutem Grund vor Augen war. In dem geht es ja um die Weisheit. Und solch ein Wort, das birgt ja eine gehörige Portion Weisheit. Eigentlich wissen wir, dass Kinder wachsen und sich entwickeln, gewiss mit unserem Zutun, aber dann auch auf eine Art und Weise, die wir so gar nicht in der Hand haben.

Wie Gras eben, das wächst, wenn es regnet und die Sonne scheint, wenn der Boden mit genug Nährstoffen versorgt ist und sich nicht Unkraut stattdessen ausbreitet. Da können wir Menschen gewiss etwas dafür tun, durch Düngen und Gießen, durch Vertikutieren und Jäten – bloß wissen wir auch, dass unser Zutun seine Grenzen hat. Der Hinweis auf das Zupfen erinnert uns an diese Grenzen.

Der Mensch vor Gott

Andacht auf der Tagung „Management der Moral“ an der Evangelischen Tutzing am 7.5.19 zu Lukas 18,9-14

Geliebte Gemeinde,

die Empörung, die dieses Gleichnis bei seinen ursprünglichen Hörern wahrscheinlich hervorgerufen hat, lässt sich vielleicht heute nur nachvollziehen, wenn man die beiden Gestalten des Gleichnisses in heutige Verhältnisse überträgt

Wenn man also den Pharisäer gleichsetzen würde mit einer Person, die mit dem Rad zur Arbeit fährt, sich vegan ernährt, in den Urlaub mit der Bahn fährt, kurzum: alles tut, um seinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren, um seinen notwendigen Beitrag zu leisten, die Erde vor dem Klimakollaps zu bewahren. Dazu auch sein Geld und seine Zeit einsetzt, um anderen zu helfen, z.B. einer Flüchtlingsfamilie aus Syrien oder einem SOS-Patenkind aus Mozambique.

Und wenn man daneben im Zöllner einen Manager sehen würde, dem es nur um Profitmaximierung geht, der daher als Manager so handelt, dass er gesetzliche Spielräume ausreizt, Gesetzeslücken nützt, sich im rechtlichen Graubereich, vielleicht sogar darüber hinaus bewegt, dabei den möglichen finanziellen Kollateralschaden einkalkulierend, der vielleicht sogar durch Lobbyarbeit Einfluss nimmt auf die Gestaltung von Gesetzen, so dass sie seinen Interessen nützen – und dem dabei das öffentliche Wohl am gepuderten Hintern vorbeigeht.

Wie es Gott gefällt

Predigt zum 1.So nach Epiphanias beim Studientag des Prackenfelser Kreises in Nürnberg

Perikopentext: Josua 3,5-11.17

Geliebte Schwestern und Brüder,

wir haben uns ja heute darüber Gedanken gemacht, wie wir recht von Israel zu sprechen fähig werden in den unterschiedlichen Assoziationen und Ambivalenzen, die dieses Wort „Israel“ mit sich trägt. Was unsere Ohren hören, hat mit dem zu tun, was sie bisher zu hören bekamen, was unsere Augen zu sehen, unsere Zungen zu schmecken hatten, unsere Haut und Hände zu fühlen hatten. Es hat mit Begegnungen und Berührungen zu tun, mit der je eigenen Lebens- und Erfahrungsgeschichte – und damit auch mit Gott, der jedem und jeder von uns seine und ihre Tage auf Erden so schenkt, wie Gott sie nun mal schenkt. Schon das jedoch ist eine Glaubensaussage – höchst ambivalent und unterschiedlichste Assoziationen auslösend.

Wir entkommen nicht dem Deuten – und das heißt, wir entkommen nicht unserer schlichten Leiblichkeit, die uns als Deutungsapparat mitgegeben und stetig geformt wird – auch beim Hören dieser Geschichte, oder besser gesagt: dieses Ausschnitts aus einer Geschichte, die weiter vorne beginnt und weiter hinten endet.

Der heilvolle Horizont

Geliebte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der vbw,

vielleicht hat sich ja der eine oder die andere von Ihnen gefragt, wie diese Worte aus dem Jesajabuch recht zu verstehen wären. Starke Bilder sind es, die der Prophet verwendet, um seine Botschaft zu vermitteln.

Wir schreiben das 6.Jahrhundert vor Christus, als diese Worte zu denen gesprochen wurden, die verzagten Herzens waren – verzagt angesichts einer seit Jahrzehnten andauernden Besatzung. Sehr lange hatte sich das jüdische Volk in und um Jerusalem zwischen den wechselnden Regimen Ägyptens und des Vorderen Orients durch geschickte Bündnispolitik einrichten können. Nun war es zwischen die Mühlen der Großmächte geraten. Babylon hatte bei seinem Marsch auf Ägypten Juda einfach überrannt und unterworfen.

Niedergemetzelt wurde dabei, was sich in den Weg stellte oder einfach im Weg war, egal, ob es Soldaten oder Zivilisten, Männer, Frauen oder Kinder, alt oder jung war. Und viele von denen, die überlebt hatten, waren in die Fremde verschleppt worden, Familien dauerhaft auseinandergerissen – ohne das Wissen umeinander. Ein traumatisiertes Volk blieb zurück, über Jahrzehnte unterjocht, ausgebeutet und der Willkür der Herrscher ausgesetzt. Der heilvolle Horizont weiterlesen