Einer trage des anderen Last

Andacht für die „Halbzeit“ des kda Bayern am 19.5.2021

„167 von 876 Euro – einfach weg von meinem Gehalt. Was soll das? Wohin geht die Kohle und wozu?“ Sicherlich haben sich schon einige Azubis diese Frage gestellt, als sie ihre erste Lohnabrechnung in Händen hielten. Immerhin ist es ein gehöriger Batzen, der da vom ersten verdienten Geld einfach „verschwindet“. Und auch im Laufe eines Berufslebens fragen sich nicht wenige, ob sich die Beiträge für Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung überhaupt lohnen.

Ist uns das bewusst, wenn wir vom lieben Gott sprechen?

Geliebte AEU-Gemeinde,

gerne reden wir doch vom lieben Gott, aber meinen wir damit dann den, von dem Hosea hier spricht?

Hosea, der Unheilsprophet für Israel. Er, der Israel schalt dafür, dass sie Gottes Liebe verschmähten wie eine abtrünnige Frau die Liebe ihres Mannes. Er, der dieses menschlich-göttliche Ehedrama am eigenen Leibe nachzuvollziehen hatte, in dem er eine ehelichte, die ihm untreu war wie das Volk seinem HERRN und Gott. 

„Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb und rief meinen Sohn aus Ägypten. Wie ich sie auch rief, liefen sie weg von mir. Den Baalen opferten sie, und den Bildern räucherten sie. Ich aber hatte Ephraim laufen gelehrt und sie auf meine Arme genommen. Aber sie merkten nicht, dass ich sie heilte.“ (Hosea 11,1-3)

Intimer, verletzlicher lässt sich kaum von Liebe sprechen als in der Intimität von Mann und Frau oder in der Intimität von Vater und Mutter im Gegenüber zu ihrem Kind, wie in diesen Versen, den Eingangsversen des alttestamentlichen Hoheliedes der Liebe. Ja, auch das Alte Testament weiß sehr wohl von Gottes Liebe zu sprechen, nicht nur das Neue. Kein Wunder, denn beide Testamente sprechen doch von dem einen Gott.

Nonpologies

Andacht für die „Halbzeit“ des kda Bayern am 17.2.2021

„Im Namen unserer Bank bedauere ich natürlich, dass Sie als unser Kunde nicht die zu erwartenden Renditen erwirtschaften konnten.“ – „Es tut mir leid, liebe Kollegin, falls Sie sich von meinen direkten Worten angegriffen fühlen, aber wenn sie einmal sachlich auf die Situation schauen, dann könnten sie doch folgendes sehen.“ – „Natürlich ist es tragisch, dass einige Kinder in diesem Bergwerk zu Schaden gekommen sind. Uns sind da die Hände gebunden. Und Sie müssen auch sehen, dass diese Kinder ihre Familie mit ihrer Arbeit unterstützen konnten.“

Was haben diese Sätze gemeinsam? In allen drei Fällen ist jemand zu Schaden gekommen: der Bankkunde, der Geld verloren hat; die Mitarbeiterin, die von ihrem Vorgesetzten rund gemacht wurde; und Kinder, die sich bei der Arbeit in einem Bergwerk schwer verletzt haben. Aber nicht nur das. In allen drei Fällen wird eine Entschuldigung ausgesprochen, die wie eine Entschuldigung klingt, aber nicht wie eine wirkt. Kein Wunder, denn niemand übernimmt hier Verantwortung – weder für das, was geschehen ist, noch dafür, zukünftig anders zu handeln. Dass sich etwas wirksam ändert, ist daher nicht zu erwarten. Das ausgesprochene Mitgefühl klingt somit schal, vielleicht sogar kalkuliert.

Im Englischen gibt es einen Begriff für diese Art der Entschuldigung. Man redet von Nonpology, einer Apology (=Entschuldigung), die nicht (=Non) wirklich eine ist. Nonpologies haben oft genug einen rechtlichen Hintergrund. Wer sich öffentlich so entschuldigt, dass er vergangenes Fehlverhalten eingesteht, der kann dafür vor Gericht haftbar gemacht werden. Für Unternehmen oder Individuen kann das teuer werden. Selbst wenn Nonpologies daher auch eine zweckrationale Seite haben können, haben sie immer einen faden Beigeschmack. Man muss sich dazu nur einmal vor Augen führen, wie eine Welt aussähe, in der Entschuldigungen nur noch Nonpologies wären. Wollten wir in solch einer Welt leben?

Nonpologies weisen uns aber auch darauf hin, welch kreative Kraft in tatsächlich wirksamen Entschuldigungen liegen. Erst diese Entschuldigungen ermöglichen Neuanfänge. Solche Neuanfänge können wir uns ja an den eingangs genannten Beispielen ausmalen. Und wir können uns vorstellen, welche Art von Entschuldigung es dazu jeweils bräuchte. Wenn wir dies tun, sind wir schon auf der Spur dessen, wie von Entschuldigen im Horizont der biblischen Überlieferung gedacht wird. Dieses Denken kommt in dem biblischen Wort zum Ausdruck, das im Deutschen meist mit „Buße“ oder „Umkehr“ übersetzt wurde und doch zunächst einmal „Sinneswandel“ bedeutet. Kreativ ist eine Entschuldigung dann, wenn dieser Sinneswandel geschieht. In diesem Sinneswandel weicht man der Wirklichkeit der Schuld nicht aus, sondern entdeckt einen Neuanfang jenseits dieser Wirklichkeit für Schuldiger und Geschädigten. Man sucht und findet Wege, es anders, es besser zu machen. Und spart sich Nonpologies.

Heilige Ruh‘

Andacht für die „Halbzeit“ des kda Bayern am 09.12.2020

„Jetzt haben wir endlich unsere heilige Ruh‘!“ So brachte es meine Mutter manchmal nach einer langen Arbeitswoche oder an einem der ersten Urlaubstage zum Ausdruck. Als zugleich Alleinerziehende und Selbständige gab es nicht so viele Zeitfenster für eine heilige Ruh‘. Lange hatte ich an die heilige Ruh‘ nicht mehr gedacht, bis ich diese Worte kürzlich selbst in den Mund nahm. „Jetzt haben wir endlich unsere heilige Ruh‘!“

Die Ruhe war schon immer in vieler Munde. Früher wurde sie in all der Hektik gesucht. Heute heißt es „Ruhe geben rettet Leben“. Und der veritable Streit um die Ruhezeit im Arbeitszeitgesetz (wer’s nachlesen möchte: §5 ArbZG) zieht sich auch schon ein paar Jahre. Natürlich ist die Ruhe auch ein Kind, wohl eher ein Stiefkind der Adventszeit. Die wird ja als staade, also stille Zeit behauptet – immer noch und immer wieder. Wer’s glaubt, wird selig, oder?
Die Ruhe hat’s nicht unbedingt leicht. Und die heilige Ruh‘? Woran wäre da zu denken? An seliges Einschlafen vor dem Fernseher am Freitag Abend? An vor sich Hindösen in einem Liegestuhl am Mittelmeer? An eine Ruhe also, die aus der Erschöpfung schöpft und die dann sein darf, wenn alle Pflichtaufgaben – zunächst einmal – erledigt sind?

Wolkige Aussichten

Andacht für die „Halbzeit“ des kda Bayern am 22.07.2020

Haben Sie als Kind auch gerne mal in die Wolken geschaut? Vielleicht auf der Wiese hinterm Haus liegend, dabei einen Grashalm im Mund. Oder am Spielplatz um die Ecke auf der Schaukel hin und her schwingend, den Flugwind in den Haaren. Oder auf dem heimischen Balkon, über die Brüstung gelehnt, den Blick über die Dächer in die Ferne gerichtet.

Wolken bieten ein Schauspiel, das zugleich abwechslungsreich und entspannend sein kann, das zu Fantasie anregt und die Gedanken schweifen lässt. Was habe ich nicht alles schon mit meinem Kopf in den Wolken gesehen? Schlösser und Drachen, Zwerge und Elefanten, Blumen und Broccoli.

Doch nicht nur Kinder lieben Wolken. Heutzutage liege ich gerne mal unter meinem Dachfenster und siehe den Wolken zu, wie sie an mir vorüberziehen und erlebe dabei, wie meine Gedanken mit den Wolken sich neu formen, vorbeiziehen und dabei leicht werden.

Kommt her zu mir

Andacht für den Newsletter des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) zum Wochenspruch des 2.Sonntags nach Trinitatis: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28)

Dieses Jesus-Wort aus dem Matthäusevangelium ist mir eins der Liebsten. Es verbindet sich in meinem Herzen mit dem 23.Psalm: „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.“ Und es verweist mich auf das Geschehen, in dem ich dieses Erquicken Mahl um Mahl erwarte, erhoffe und erbitte, so wie es angekündigt wird: „Nun kommt herzu, es ist alles bereit. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.“

Der Gesalbte Gottes

Andacht für den Newsletter des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) zu Markus 14,3-9 am Palmsonntag 2020

Diese Geschichte irritiert, nicht nur in Zeiten, in denen Berührungen tabu sind, weil sie lebensgefährlich sein können. Die Irritation wird thematisiert: „Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.“ Ist Jesus nicht dazu da, die Not in der Welt zu lindern: die Hungrigen zu speisen, den Dürstenden zu trinken zu geben, die Fremden aufzunehmen, die Nackten zu kleiden, die Gefangenen und Kranken zu besuchen? Und wir, sind wir nicht in seiner Nachfolge zu selbigem berufen? In unsere Zeiten übersetzt: zuhause zu bleiben, um die zu schützen, die gefährdet sind, und für die einzukaufen, die zu einer Covid-Risikogruppe zählen?

Fast schon beängstigend lapidar erscheint da Jesu Kommentar: „Ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.“ Wenn ihr wollt? Nicht, weil ihr sollt? Ich lese weiter: „Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.“ Sie, die unbenannte Frau aus Bethanien. Ihr Tun entspricht laut Jesus dem Evangelium, denn sie deutet Jesu Gegenwart und Jesu Tod, wie sie als Evangelium gepredigt werden. Als Gesalbter ist Jesus gekommen, als Gesalbter wird er sterben, als Gesalbter (und nur als Gesalbter) wird er über seinen Tod hinaus gegenwärtig bleiben. Denn als Gesalbter verkörpert Jesus Gottes Gegenwart. Nicht 300 Silbergroschen stehen auf dem Spiel, sondern das: „Mich habt ihr nicht allezeit.“ Aber wir haben eben das „Gedächtnis (dessen), was sie getan hat.“

Dieses Gedächtnis der Gegenwart Gottes im Gesalbten hat über Jahrhunderte durch Kriege, Hungersnöte und Plagen getragen. Gebete und Gesangbuchlieder, angereichert durch die Lebens- und Leiderfahrung von Generationen von Christinnen und Christen, erinnern uns an die Tragfähigkeit dieses Gedächtnisses. Ja, wir haben Arme allezeit unter uns, genauso wie Kranke, Sterbende, Hungernde, Gefangene, Fremde und Nackte. Aber wir haben eben auch ihn, den Gesalbten Gottes. Gott sei Dank. Amen.

Das Trojanische Pferd der Sachlichkeit

Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Sage, in der erzählt wird, wie die Griechen die Stadt Troja eroberten. Sie bauten ein großes hölzernes Pferd, stellten es vor den Eingang der bis dato uneinnehmbaren Stadt und täuschten ihren Abzug vor. Die Trojaner, gierig oder neugierig, kassierten dieses Pferd ein. Sie ahnten jedoch nicht, was sie sich dabei an Land gezogen hatten. Denn im Bauch des Pferdes lauerten bis an die Zähne bewaffnete Feinde. Diese schlugen mitten in der Nacht zu. Das Ende von Troja war besiegelt.

Von „Trojanischen Pferden“ oder „Trojanern“ spricht man bis heute dann, wenn in etwas, was als schön, hilfreich oder gut erscheint, eine zerstörerische Gefahr verborgen ist. Dieses Bild verwendet auch der Kommunikationspsychologe Schulz von Thun, um etwas zu illustrieren, was im Arbeitsleben tagtäglich geschieht. Er nennt es „das Trojanische Pferd der Sachlichkeit“. Das Trojanische Pferd der Sachlichkeit weiterlesen

Flurfunken ist nicht die Lösung

Im Arbeitsalltag fällt schnell mal ein Wort, das verletzt. Oder eine eMail trifft nicht den richtigen Ton, sondern trifft. Der Flurfunk ist in einer solchen Situation ein schlechter Ersatz für ein notwendiges offenes, klärendes Wort unter vier Augen. Im Gegenteil. Er wirkt oft als Verstärker für Konflikte zwischen Einzelnen, indem er zusätzliche Mißverständnisse schafft und aus Mücken Elefanten macht. Jeder, der einmal Stille Post gespielt hat, kennt das Problem. Flurfunken ist nicht die Lösung weiterlesen

Natürlich Fußball

Als ich heute beim Fußballtraining meines Sohnes zugeschaut habe, dachte ich mir: Erstaunlich, wie viel Fußball mit heutigem Marketing oder mit Mitarbeitermotivation durch Incentivierung zu tun hat. Verknappe etwas, mache es begehrenswert – und alle wollen es haben. Bereitet also Fußball anders auf das Leben vor – anders als ich immer dachte? Natürlich Fußball weiterlesen