Nicht von der heiligen, aber doch von der himmlischen Ruh‘ ist die Rede im beliebtesten Lied zur Weihnacht. Dort heißt es gleich in Strophe 1: Stille Nacht, heilige Nacht,
Alles schläft, einsam wacht
Nur das traute, hochheilige Paar.
Holder Knabe im lockigen Haar,
Schlaf‘ in himmlischer Ruh‘,
Schlaf‘ in himmlischer Ruh‘! (Evangelisches Gesangbuch Nr. 46)
Was als Wiegenlied mit der himmlischen Ruh‘ beginnt, entfaltet Strophe für Strophe den Zauber der Stillen, Heiligen Nacht. Mit seinen Worten ist da dem Salzburger Priester Joseph Mohr im Jahr 1816 ein Meisterstück an Seelsorge geglückt. Für seine Gemeinde hatte er es als weihnachtliche Wegzehrung in ihren großen Nöten geschrieben. Völlig ausgemergelt war das Salzburger Land von den Napoleonischen Kriege und ihren Nachwehen. Dazu ging 1816 ein Jahr ohne Sommer zu Ende, in dem die Feldfrüchte bei Dauerregen und sommerlichem Schnee verkamen. Schuld war ein indonesischer Vulkan, der in Europa einen kurzen Klimawandel verursacht hatte.
Über die Jahre wurde Mohrs vertontes Gedicht über Salzburg in der weiten Welt beliebt, so beliebt, dass es in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs am Weihnachtsabend einen Moment der himmlischen Ruh‘ erschuf. Es war im Grabenkrieg Flanderns, als auf einmal auf beiden Seiten der Front die Waffen schwiegen. Stattdessen wurde „Stille Nacht, Heilige Nacht“ angestimmt und schwoll zu einem Chor der sich bekriegenden Soldaten in unterschiedlichen Muttersprachen an.
Beide Begebenheiten zeugen von der heiligen, himmlischen Ruh‘, die vom holden Knaben ausgeht. Sie ist nicht lediglich Unterbrechung unserer Erschöpfung, sondern sie gilt als Ende aller Not. Wer’s glaubt, dem ist sie bereits Kraft und Trost in seiner Not auf Erden. Möge diese heilige, himmlische Ruh‘ auch in unsere liebe Not, die wir mit diesem vermaledeiten Virus haben, Einzug halten.