Andacht zu Psalm 33 (s. hier den Bibelabschnitt zum Nachschlagen)
Liebe AEU-Mitglieder, liebe Gäste,
„Er muss immer das letzte Wort haben.“ Wenn man das über jemanden sagt, ist das in der Regel nicht als Kompliment gemeint.
Sie selbst wissen: es gibt oft genug Situationen, wo einer das letzte Wort haben muss, nicht zuletzt im Betrieb. Man kann lang und breit diskutieren über Entscheidungen, man kann Optionen von allen Seiten beleuchten lassen. Man kann sich lang beraten und abwägen. Irgendwann muss eine Entscheidung her – und einer muss dann eine Ansage machen, das letzte Wort haben.
Erst kürzlich habe ich von einer geschäftsführenden Gesellschafterin einer großen Unternehmensgruppe folgendes Zitat gehört: „Ein Management-Team ist keine Selbsterfahrungsgruppe. Am Ende des Tages müssen Entscheidungen gefällt werden.“
Das letzte Wort muss fallen, damit alle wissen, wie es weiter geht. Es ist natürlich eine Frage der Macht, wer dieses letzte Wort fällen kann.
Und es ist eine hohe Verantwortung, dieses letzte Wort zu fällen. Denn solche letzten Worte haben ja in der Regel deutliche Folgen für viele Menschen, im und um ein Unternehmen – und nicht notwendigerweise nur angenehme Folgen für alle Beteiligten.
Genauso wie letzte Worte eine Machtfrage sind, sind es erste Worte. Wer eine Idee platzieren kann, einen Anfang setzen kann, der hat gute Chancen, die Agenda der nächsten Zeit zu bestimmen. Offensichtlich ist das im politischen Betrieb. Koalitionsverträge sind so etwas wie erste Worte. Die Agenda wird gesetzt, um dann abgearbeitet zu werden. Der Rahmen steht – und alle können sich an die Arbeit machen.
Erste und letzte Worte – an ihnen lässt sich das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung gut studieren. Nicht selten sind sie identisch. Sie sind letzte Worte eines langen Klärungsprozesses – und zugleich erste Worte, die einen neuen Weg beschreiben.
Wer ein erstes Wort spricht, der setzt einen Anfang, der gibt einem weißen Blatt Papier eine Überschrift und gibt damit das Thema vor, an dem alle anderen arbeiten.
Ob es das rechte Thema zur rechten Zeit oder eine Themaverfehlung ist, ist dabei nicht gewiss. Es zeigt sich im Werden. Hierin liegt auch die große Verantwortung dessen, der die Überschrift schreibt. Eine Verantwortung, die bisweilen an Verantwortungslosigkeit grenzt, weil niemand das Maß der Folgen tatsächlich überschauen kann. Und trotzdem muss ein Anfang her.
Wer das letzte Wort spricht, der gibt nicht nur die Richtung vor. Er schließt auch andere Optionen aus. Er schließt möglicherweise bessere Wege aus.
Es ist daher bemerkenswert, dass Gott durchgehend in der Bibel als der beschrieben wird, der das erste und das letzte Wort spricht. Gott setzt die Agenda – als der, „der Himmel und Erde gemacht hat“. Und er spricht das letzte Wort über diese Welt, über unser Leben – als der, „der kommt zu richten die Lebenden und die Toten“, der spricht: „Siehe, ich mache alles neu.“
In Psalmen wie dem 33ten, den wir gerade gemeinsam gebetet haben, ist dieses Zeugnis Gottes komprimiert in einem Lied der Vergewisserung.
Vergewissern mögen sich die Betenden, dass dieser Gott einer ist, „an dessen Heiligungsnamen man sich sichern kann.“ So übersetzt Martin Buber den Vers 21 in diesem Psalm, den Luther so wiedergegeben hat: „Wir trauen auf seinen heiligen Namen.“
Man kann sich sichern, wie ein Bergsteiger in unübersichtlichem Gelände an diesem Namen, an diesem Gott, dessen Worte nicht Gewicht haben. Nein, sie sind die Schwergewichte, die allem anderen Halt geben, an dem alles andere hängt:
Wenn er spricht, so geschieht’s; wenn er gebietet, so steht’s da.
Ich frage mich, ich frage Sie, ob wir nicht diese Schwergewichtigkeit Gottes in unserem Leben immer wieder unterschätzen – zu unserem eigenen Schaden.
Offensichtlich war das Teil der Erkenntnis derjenigen, die diesen Psalm formuliert haben. Denn der Psalm beschreibt ja, was passiert, wenn man zu klein von Gott denkt und zu groß von den eigenen Möglichkeiten, unter anderem auch in dem Kontext des Verses, der heute Tageslosung ist. Da heißt es:
Einem König hilft nicht seine große Macht; ein Held kann sich nicht retten durch seine große Kraft.Rosse helfen auch nicht; da wäre man betrogen; und ihre große Stärke errettet nicht.
Worauf bauen wir in unserem Leben? Wessen erstes Wort, wessen Agenda gilt für uns? Und an wessen letztem Wort sichern wir unser Leben?
Diese Fragen wirft dieser Psalm auf, wenn wir ihn beten – und erinnert uns daran, wie schwergewichtig Gottes Worte tatsächlich sind:
Sie sind Zusagen, die gewiss gehalten werden.Sie sind schöpferische Worte, die die Fülle der Güte in diese Welt hauchen, die Güte, die über und um uns ist. Sie sind Machtworte, die Gerechtigkeit und Recht schaffen. Sie sind Trostworte, die uns vom Tode erretten und Hilfe und Schild sind.
An diesen Worten mögen wir uns sichern, komme, was wolle, ein Leben lang.
Amen.