Himmlisches Headhunting

Vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle (Mt 13,44-46)

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Liebe Gemeinde,

ich möchte Ihnen gratulieren – so wie man den beiden Findern gratulieren möchte.

„Mensch, du Simeon, du alter Landarbeiter. Das freut mich für dich. Auf deine alten Tage so einen Schatz geborgen. Endlich entlohnt für all deine Mühen. Sag mal, wie bist du da drauf gekommen? Ach, du wusstest gar nichts davon. Du bist einfach drauf gestoßen, als du das Feld für deinen Herrn – Verzeihung – deinen ehemaligen Herrn umgegraben hast. Mensch, Simeon, was für eine Freude, dir gönn ich’s von Herzen!“

„Ja, und du, Ezra, nicht dass du am Hungertuch geknabbert hättest. Dein Spürsinn für gute Ware war ja schon immer stadtbekannt. Aber wirklich, mit dieser Perle hast du deine Meisterleistung vollbracht. Gratulation! Ich ziehe meinen Hut vor dir. Die Frage, warum du alles verkauft hast, um diese eine zu erwerben, diese Frage, die stellt sich gar nicht, wenn man sie ein einziges Mal zu Gesicht bekommen hat.“

Das Himmelreich, liebe Gemeinde, das Himmelreich, das gleicht dem, was diesen beiden Gratulanten widerfahren ist. So sagt es Jesus. Immer wieder nimmt Jesus im 13.Kapitel des Matthäusevangeliums einen Anlauf, um der Menge zu beschreiben, was es mit diesem Himmelreich auf sich hat, der Mitte seiner Verkündigung.

„Habt ihr das alles verstanden?“ fragt er zum Abschluss dieser langen Himmelreichspredigt. Und sie antworten: „Ja!“ (Mt 13,51)

Können wir da einstimmen mit unserem „Ja“? Haben wir’s verstanden? Kennen wir den Schatz, die Perle? Dann, liebe Gemeinde, herzlichen Glückwunsch!

Wohlgemerkt: Wir reden hier nicht über das neueste iPhone 5, den nächsten Tauchurlaub vor Hurghada, den Dienstwagen mit allerlei Sonderausstattung. Wir reden hier nicht über Gegenstände und Erlebnisse, die uns befristet Freude oder sogar einen Kick versetzen.

All das will ich gar nicht an sich verteufeln. Wer sich’s leisten kann, dem macht es das Leben leichter und schöner. Aber wir dürfen hier auch nicht in die Falle tappen. So wie junge Menschen in China, die ihre Niere für ein neues Smartphone verkaufen – oder so mancher Büroarbeiter, der seine Seele verkauft für ein automobiles Statussymbol.

Das Teuflische an diesen Dingen ist ja nicht, dass es sie gibt und man sie nutzt. Das Teuflische daran ist, dass wir unser Leben für sie dran geben könnten. Und dabei das Himmelreich verpassen.

Also noch einmal: Haben wir’s verstanden?

Vielleicht hilft uns Paulus dabei, noch besser zu verstehen, wenn er über Schatz und Perle, über das Himmelreich schreibt, so wie wir’s vorhin hörten:

„Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin. Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich’s ergriffen habe.“ (Phil 3,12f.)

Paulus kennt den echten, den unvergleichlichen, den einmaligen Wert des Himmelreichs, so wie Landarbeiter und Kaufmann. Und er hat schon die Haltung eingenommen, mit der sich beide Hauptfiguren der Gleichnisse ins Abenteuer stürzen und alles auf eine Karte setzen.

„Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet… Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“ (Phil 3,7.13f.)

Das ist radikal. Und doch beschreibt es nachvollziehbarer, was passiert, wenn das Himmelreich in unser Leben vordringt. Die Gleichnisse komprimieren auf einen Satz, wofür wir mindestens unser Leben brauchen.

So wie Paulus auch sein Leben lang dem Siegespreis nachgejagt ist – und dabei schon auf dem Weg viele Heilvolles erlebt hat, Heilvolles, das ihn zu einem so mächtigen Zeugen des Himmelreiches gemacht hat.

Ins Himmelreich, da wächst man hinein, die einen schneller, die anderen langsamer. Ins Himmelreich, da wird man gerufen, berufen. Immer wieder taucht er auf, der Schatz, die schönste Perle. Und immer wieder sind wir gefragt, was wir damit anfangen. Lassen wir den Schatz im Acker oder riskieren wir den Kauf? Behalten wir den Sack voller durchschnittlicher Perlen oder tauschen wir ihn gegen die eine?

Einer meiner theologischen Lehrer sprach von diesen Ereignissen als „epiphanies of recruitment“, Ereignisse, bei denen uns Gott für seine Sache anwirbt, einem Anruf vom Headhunter vergleichbar – ungefähr so:

„Ja, guten Tag, Wir haben hier eine Stelle, da sind Sie uns empfohlen worden. Die passt zu ihnen wie die Faust aufs Auge. Wir haben uns schlau gemacht. Das können Sie.

Ich will aber auch nicht verhehlen, dass Sie dabei gefordert sind, wahrscheinlich anders als Sie’s bisher gewohnt sind. Dafür wird Ihnen aber auch einiges geboten, mehr als irgendwo anders. Und die Perspektiven sind blendend. Ach ja, schauen Sie doch mal vor Ihre Tür. Da finden Sie schon mal ein kleines Geschenk – ein Vorgeschmack auf das, was Sie erleben werden, wenn Sie sich dieser neuen Aufgabe stellen.“

Was macht man im Falle eines Falles bei so einem Anruf? Was macht man, wenn das Geschenk alles hält, was es verspricht? Ist das zu schön, um wahr zu sein?

Beim ersten Anruf des Headhunters wird man sich sicher Bedenkzeit erbeten, sich schlau machen über diese Firma, in die man einsteigen soll, sich umhören. Vielleicht auf der alten Stelle erst einmal bleiben. Sicherheit vor Chancen wahren.

Aber wie ist es beim zweiten, dritten, vierten Anruf?

Jetzt frage ich Sie zum dritten Mal: Haben Sie’s verstanden? Erinnern Sie sich an Anrufe des Headhunters, der Sie für das Himmelreich gewinnen wollte? Erinnern Sie sich an diese Geschenke, die ungefragt vor Ihrer Haustür standen? Und dann: Haben Sie sich schlau gemacht, was das alles auf sich hat – und den Schritt gewagt?

„Epiphanies of recruitment“ – die stellen uns immer wieder vor die Wahl. Und je nachdem, wie wir wählen, nähern wir uns dem Himmelreich und verändern wir zugleich unseren Sinn. Denn je nachdem, wie unsere Wahl ausfällt, werden wir andere Erfahrungen machen. Und jede Erfahrung formt uns, formt unsere Wahrnehmung. Jede dieser „epiphanies of recruitment“ bietet uns die Chance, sachkundiger zu werden in Bezug auf das Himmelreich.

Dann werden wir die Schätze im Acker entdecken und die schönsten Perlen als solche erkennen. Dann wird unser Leben reicher – himmelreicher.

Wenn Sie jetzt fragen – zu Recht fragen: „Was ist das, ein himmelreiches Leben?“, dann kann ich Sie in der Kürze dieser Predigt nur verweisen auf die vielen Geschichten, die von Menschen und ihren „epiphanies of recruitment“ erzählen.

Geschichten, wie sie die Bibel erzählen. Geschichten, wie sie die Heiligenlegenden erzählen. Geschichten, wie sie auch heute bezeugt werden.

Statt wahllos eine dieser Geschichten zu erzählen, möchte ich Sie lieber auf die schönste Gratulationskarte im Neuen Testament verweisen. Denn diese Gratulationskarte fasst zusammen, was Menschen gewinnen, wenn sie sich berufen lassen, wenn sie den Schatz im Acker und die schönste Perle kaufen, dem Siegespreis nachjagen.

Diese Gratulationskarte findet sich übrigens auch im Matthäusevangelium, im fünften Kapitel. Sie könnte Ihnen bekannt vorkommen:

„Ich gratuliere denen, die wissen, dass sie vor Gott arm sind. Denn ihnen gehört das Himmelreich.

Ich gratuliere denen, die an der Not der Welt leiden. Denn sie werden getröstet werden.

Ich gratuliere denen, die von Herzen freundlich sind. Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten.

Ich gratuliere denen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Denn sie werden satt werden.

Ich gratuliere denen, die barmherzig sind. Denn sie werden barmherzig behandelt werden.

Ich gratuliere denen, die reinen Herzens sind. Denn sie werden Gott sehen.

Ich gratuliere denen, die Frieden stiften. Denn sie werden Kinder Gottes heißen.

Ich gratuliere denen, die verfolgt werden, weil sie tun, was Gott will. Denn ihnen gehört das Himmelreich.

Ich gratuliere euch, wenn sie euch beschimpfen, verfolgen und verleumden – weil ihr zu mir gehört.

Freut euch und jubelt! Denn euer Lohn im Himmel ist groß!“

Und – haben Sie’s verstanden? War auch eine Gratulation für Sie dabei, eine, die Sie besonders angesprochen, bewegt, an etwas erinnert? Ich hoffe, ich wünsche Ihnen, dass dies der Fall ist. Und ich gratuliere Ihnen, wenn es der Fall ist.

Wenn nicht, dann bitten Sie den HERRN um einen Anruf vom Headhunter. Er wird Sie erhören, seien Sie sich dessen gewiss – aber halten Sie dann auch Augen und Ohren offen wie Landarbeiter und Kaufmann.

Denn wie ich schon eingangs gesagt habe: Ich möchte Ihnen allen gerne gratulieren.

Amen.

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