Lebensfreundliche Naturgewalten?

Die Erkenntnis, in hohem Maße abhängig zu sein von der Lebensfreundlichkeit natürlicher Gewalten, ist eine menschliche Grunderkenntnis. Und zu allen Zeiten haben Menschen sich gemüht, sich die natürlichen Gewalten freundlich zu halten, manchmal mit aus heutiger Sicht abstrusen Mitteln. 

Als während der kleinen Eiszeit in Mitteleuropa im 16. und 17.Jahrhundert die Ernten Jahr um Jahr erfroren oder verfaulten und die Menschen schlimmen Hunger litten, da glaubten sie, dies sei das Werk bösen Zaubers. Menschen aus ihrer Mitte wurden als Hexen entlarvt, verfolgt und zu Tode gefoltert, überall in Deutschland, egal, ob in katholischen oder evangelischen Gebieten. Allein, es hat den bösen Zauber damals nicht beendet.

Aber wenn wir es nicht in der Hand haben, die Lebensfreundlichkeit der natürlichen Gewalten zu bewahren, wer dann? Diese Frage, sie steht im Hintergrund unserer heutigen Geschichte von Elia, die eigentlich nur der Auftakt seiner Mission ist. Er tritt ja in die Szenerie mit dieser Ankündigung: So wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.

Und diese Ankündigung ist nur zu verstehen, wenn man begreift, dass die Frage, wer die Lebensfreundlichkeit der natürlichen Gewalten für Israel wahrt, im Land oder besser: am Hof strittig geworden war. Ahab, der König, hatte eine phönizische Prinzessin zur Frau genommen, Isebel, und den Baalskult ihrer Heimat in Israel neben der Verehrung des Gottes Israels eingeführt. Denn Baal war doch der Fruchtbarkeitsgott, derjenige, dem die natürlichen Gewalten so untertan sind, dass er allen, denen er gewogen ist, in jeder Hinsicht Fruchtbarkeit schenkt.

Ein Affront gegen den Hof und noch viel mehr gegen den neuen Gott ist es daher, dass Elia nun eine lange Dürre ankündigt. Doch es ist ja nicht Elia, ein böser Zauberer, sondern der Gott Israels selbst, der dem Land die Dürre beschert. Dieser Gott ist es, dem die Naturgewalten untertan sind. Das wird in dieser Geschichte noch im Großen bewiesen werden, später, wenn Elia am Berg Horeb beim großen Finale gegen sämtliche Propheten des Baal und seiner Aschera antritt, 850 an der Zahl. Während jene allerlei religiösen Klamauk veranstalten, spricht Elia ein Gebet und wird erhört. Am Ende regnet es – nach drei Jahren zum ersten Mal.

Aber so weit sind wir noch nicht. Noch stehen wir am Anfang der Verwüstung und am Anfang von Elias Mission. Dass diese ihn nun schnurstracks in die Wüste führt, ist zu seinem Schutz. Böse Zauberer müssen ja verfolgt und getötet werden, damit ihr Zauber endet. 

Der Schutz ist das Eine, die Vorbereitung das Andere. Die Wüste ist biblisch der Ort der Vorbereitung. Als das Volk aus Ägypten geführt wird, leitet es Gott nicht direkt ins gelobte Land. In der Wüste wandert es 40 Jahre, bis es bereit erscheint. Und Jesus zieht nach seiner Taufe erst in die Wüste, bevor er seine öffentliche Mission antritt. Dort, in der Wüste, trifft er auf den Teufel, der ihn dreifach versucht, von seinem Kurs abzukommen.

Ein Ort der Vorbereitung ist die Wüste aber gerade dadurch, dass in ihrer offensichtlichen Lebensunfreundlichkeit die Lebensfreundlichkeit des Gottes Israels zutage treten kann. Das Volk wird von Gott mit Wasser und Manna versorgt; Jesus dienen die Engel nach dem erschöpfenden Ringen mit dem Teufel. Und Elia wird vom Wasser des Baches Krit und von Raben versorgt. Wie wundersam die Wege Gottes sind, wird hier schon kenntlich, denn Raben galten in Israel als unreine Tiere. Selbst diese jedoch sind dem Gott Israels so untertan, dass sie für den Propheten des Gottes Israel lebensfreundlich handeln.

Das Wundersame setzt sich fort. Denn als der Bach Krit vertrocknet, schickt der Gott Israels Elia in Feindesland, nach Phönizien, die Heimat des Baal, in die Stadt Sarepta. Und dann auch nicht zu irgendwem, sondern zu einer Witwe mit Sohn. Die soll ihn ab sofort versorgen. Ein fremder, alleinstehender Mann, der bei einer alleinstehenden Frau einkehrt. Eine unerwartete, ja eigentlich unmögliche Allianz, die in Israel eher mit dem ältesten Gewerbe der Welt assoziiert würde. Und dann noch eine Frau, die eigentlich gerade dabei ist, sich und ihrem Sohn die Henkersmahlzeit zuzubereiten, weil ihre Reserven zur Neige gehen.

Sie sprach: So wahr der Herr, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will’s mir und meinem Sohn zubereiten, dass wir essen – und sterben.

Dass sie es dann nicht tun, sondern unerschöpflich bleiben, spricht von der Lebensfreundlichkeit des Gottes Israel, von dem sie doch sprach, ohne zu ahnen, was sie da sagt: So wahr der Herr, dein Gott, lebt.

Wie erscheint diese Geschichte angesichts des eingangs Gesagten, angesichts einer Pandemie, die uns weiter in Atem hält, die uns noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt hat, wie abhängig wir von der Lebensfreundlichkeit der natürlichen Gewalten sind?

Wie kommen uns, wenn überhaupt, die Worte der Witwe über die Lippen: So wahr der Herr, mein Gott, lebt.? Was heißt es denn, dass ein Elia und eine Witwe in Sarepta die Dürre überlebten und andere, hier Ungenannte gewiss nicht?

Vor kurzem hatten wir im Team der Arbeitsseelsorge unserer Kirche, dem kda Bayern, ein Musikerduo aus Franken zu Gast. Sie schilderten uns, wie das vergangene Jahr für sie und ihre Musikerfreunde war. Keine Konzerte, keine Reisen, keine Einnahmen, ein paar Kröten vom Staat. Der Mann des Duos sagte uns: „Es gab einen Tag, da hatte ich insgesamt noch 16 Euro, 6 Euro auf der Hand, 10 Euro auf dem Konto.“  Eine Handvoll Mehl im Topf, ein wenig Öl im Krug.

Und weiter sprach er: „Und da ging mir der Spruch meiner Oma nicht aus dem Kopf: wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“

Sie hielten dann Konzerte übers Internet und etwas Geld kam rein. Und dann organisierten sie ein Benefizkonzert für die Musikszene. 

Mehr Geld kam rein, kleines Geld, aber genug Geld, um ein paar Musikern etwas zu geben. Und dieses kleine Geld entfaltete große Kraft. „Und dann erlebten wir, dass einige, die schon fast aufgegeben hatten, wieder loslegten. Die hatten auch ihren Stolz und wollten zeigen, dass sie auch selbst etwas auf die Beine stellen können.“

Ich erzähle Ihnen das nicht als Gebrauchsanleitung für Krisenzeiten, so nach dem Motto: das Brotwunder, sei es bei Elia, sei es bei der Speisung der 5000, ist nichts anderes als die Mobilisierung verborgener Reserven. 

Ich erzähle ihnen das vielmehr, weil wir Geschichten wie die der beiden Musiker, wie die von Elia und der Witwe brauchen in Zeiten, da die natürlichen Gewalten ihre ganze Lebensunfreundlichkeit zeigen. Wir brauchen sie, um die Lebensfreundlichkeit des Gottes Israels, der der Gott Jesu ist, darüber nicht zu vergessen. 

Woche für Woche versammeln wir uns unter dem Kreuz, in dem wir die Lebensfreundlichkeit unseres Gottes sehen, während andere nur Gewalt und Mord und Scheitern sehen. Immer wieder wie heute versammeln wir uns um den Tisch des Herrn bei einem kargen Mahl, eine Handvoll Hostien im Topf und ein wenig Wein im Krug, weil wir da die Lebensfreundlichkeit unseres Gottes feiern, während andere nur diesen kargen Ritus sehen und sich vielleicht denken, dass man angesichts der Not in der Welt doch etwas Besseres zu tun hätte.

Wir tun das, weil wir es so gelernt haben. Wir tun das, um nicht zu vergessen. Elia wurde in der Wüste versorgt, die Witwe und ihr Sohn wurden von einer Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug satt. So wahr der Herr, unser Gott, lebt.

Amen.

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