Gebot 8.0

Was aber hat das mit „Digitalisierung“ zu tun? Martin Luther, unser „Kirchenvater“ hat das Gebot einmal so ausgelegt:

„Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.“

Ich denke an diese Worte, wenn ich Lenas Song „Thank you“ höre, den sie ihren Hatern widmet. 

Ich denke an dieses Gebot, wenn der mächtigste Mann der Welt wieder einmal über Twitter im Stile eines Schulhoframbos austeilt. 

Und ich denke an dieses Gebot, wenn ich erlebe, wie Cybermobbing die Seelen von Kindern und Jugendlichen beschädigt.

Die Digitalisierung hat mächtige Instrumente hervorgebracht und die Frage, die sich stellt, ist: Können wir damit umgehen?

Der Internetpionier Jaron Lanier beschreibt die sozialen Medien als keineswegs neutrale Umgebungen. Sie machen – und ich zitiere hier nur einige Kapitelüberschriften aus seinem aktuellen Buch über soziale Medien – sie machen dich zu einem Arschloch, sie untergraben die Wahrheit, sie töten dein Mitgefühl und sie hassen deine Seele.

Auch wenn man Laniers Thesen nicht folgen mag – wobei ich sie für absolut bedenkenswert halte – steht eben die Frage im Raum: Können wir damit umgehen? Und dann weiterführend: Was heißt das, dies zu können?

Martin Luthers Deutung des achten Gebots gibt uns hier einen Hinweis. Denn in dem Gebot geht es um die Frage, wie man in der Öffentlichkeit über einen anderen spricht – ob man ihn „verrät, verleumdet, seinen Ruf verdirbt“ oder „ihn entschuldigt, Gutes von ihm spricht, alles zum besten kehrt.“ 

Soziale Medien sind öffentliche Medien, so öffentlich wie keine Medien in der Geschichte der Menschheit zuvor. Das macht ihre Macht aus – und damit auch ihre potentielle Zerstörungsgewalt. Der Ruf eines Menschen kann digital vernichtet werden. Können wir damit umgehen?

Auf jeden Fall lohnt es sich, darüber nachzudenken. Das gilt übrigens nicht nur für unsere digitale Kommunikation. Ratschkatteln finden sich allüberall, Flurfunk gibt es in nahezu jedem Unternehmen vor, Gerüchteküchen öffnen an jeder Straßenecke. Und auch im Analogen wird der Ruf von Mitmenschen nachhaltig beschädigt.

So stellen uns die digitalen Instrumente eigentlich die Frage, ob wir mit einem Instrument, mit dem wir geboren sind, redlich und rechtschaffen umzugehen wissen:

„Die Zunge ist ein kleines Glied und richtet große Dinge an.“ (Jakobus 3,5) Mögen es große Dinge sein, die unseren Mitmenschen nicht schaden, sondern ihnen dienen – analog wie digital.

Amen.

(Andacht gehalten am Nürnberg Digital Festival am 17.7.2019)

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