Menschenfurcht und Gottesfurcht

Schönes, gepflegtes, volles, kräftiges, farbintensives Haupthaar, das drückt Jugend und Lebendigkeit, Schönheit und Attraktivität, Erfolg und Stärke aus. 

Insofern stößt das Wort Jesu, das uns die heutige Losung mitgibt, doch einiges zum Nachdenken an:

Aber auch die Haare auf Eurem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht.

Das gilt offensichtlich für uns alle, egal, wie es um unser Haupthaar beschaffen ist. Denn die Pointe des Jesuswortes liegt zunächst einmal nicht in der Beschaffenheit. Wer wüsste schon, wie viele Haare auf seinem Haupt vorhanden sind? Gott weiß es – darum geht es. Und auf dieses Wissen – und das ist nun die Pointe – ist für uns Verlass. Dieses Wissen darf uns die Furcht nehmen.

Dass es hier nun gerade um Haare geht, das finde ich insofern dann doch bemerkenswert, denn die Furcht, die in dem Kontext des Jesuswortes angesprochen ist, dass ist die Lebensfurcht – oder besser: die Furcht davor, das Leben zu verlieren.

Das wird auch an dem anderen Bild deutlich, das Jesus hier verwendet. Im Zusammenhang heißt es nämlich:

Verkauft man nicht fünf Sperlinge für zwei Groschen? Dennoch ist vor Gott nicht einer vergessen. Aber auch die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.

So zahlreich wie unser Haupthaar sind die Sperlinge und andere Vögelein. Und jedes einzelne weiß uns etwas über unsere Furcht und unser tägliches Sorgen zu predigen. So legt Martin Luther dieses Wort aus:

„Seht, so macht Christus die Vögel zu unseren Lehrmeistern, sodass im Evangelium die kleinen Sperlinge uns klugen Menschen zu großer, fortwährender Schande als Lehrer und Prediger vorgestellt werden. Sie müssen uns täglich Gottes Treue vor Augen führen, als wenn sie sagten: »Du elender Mensch! Du hast Haus und Hof, Geld und Gut und jedes Jahr einen Acker voller Korn oder mit anderem Gewächs, und dies mehr als genug, und doch kannst du keine Ruhe finden und hast immer Sorge, du werdest des Hungers sterben. Wenn du keinen Vorrat siehst oder davon weißt, kannst du Gott nicht einmal für einen Tag zutrauen, dass er dich versorgt. Und wir Vögel sind so viele, trotzdem haben wir uns noch an keinem Tag unseres Lebens Sorgen gemacht. Und dennoch hat Gott uns täglich unsere Nahrung gegeben.« 

Damit ist doch unsere Furcht schon einmal recht schön umschrieben. Und doch sind wir auch hier noch nicht fertig mit dem Verstehen.

Denn der Kontext ist ein noch umfassenderer. In ihm erschließt sich, was uns diese Lebensfurcht macht und was sie uns nimmt.

So heißt es:

Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können und danach nichts mehr tun können. Ich will euch aber zeigen, vor wem ihr euch fürchten sollte: Fürchtet euch vor dem, der, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch, vor dem fürchtet euch. Verkauft man nicht fünf Sperlinge für zwei Groschen? Dennoch ist vor Gott nicht einer vergessen. Aber auch die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.

An und für sich ist es ganz einfach: Was uns Furcht macht, sind die, die lediglich den Leib töten können. Was uns diese Furcht nimmt, ist die Furcht vor dem, der die Macht hat, in die Hölle zu werfen.

Anders gesagt: Menschenfurcht kann nur durch Gottesfurcht überwunden werden. Denn der, der die Macht hat, in die Hölle zu werfen, das ist Gott, der Herr über Leben und Tod.

Das mag nun den einen oder die andere irritieren, aber heißt es nicht: Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis. (Spr 1,7)?

Und welch befreiende Erkenntnis kann es denn sein, wenn ich weiß: vor Menschen brauche ich mich nicht mehr fürchten, denn das Entscheidende meiner Lebendigkeit können sie mir nicht nehmen. 

Das liegt nicht in meinem Haupthaar oder einem anderen Vitalzeichen begründet. Es ist stattdessen bei Gott wohl aufgehoben, der jedes meiner Haare gezählt hat, vom ersten Babyflaum bis zum weißen Schopf an meinem Totenbett – und ja, vielleicht hat ja auch mein Auferstehungsleib einst Haare, so Gott will.

Gut täte ich also dran,  der Gottesfurcht nachzuspüren und nachzuhören, die so mannigfach in den biblischen Geschichten benannt und beschrieben ist. Und mich dabei auch von denen anleiten lassen, die in diesen Geschichten der Gottesfurcht keinen Raum geben, sondern – und das ist dann die Regel – auf eigene Faust ihr Leben zu retten versuchen und doch nichts anderes als die Sorge ernten, die den Sperlingen fremd ist, und die Menschenfurcht sich einkaufen, die Jesus benennt.

Nicht dass sie mir fremd wären. Im Gegenteil. Umso besser zu wissen, dass jene stets daran erinnert worden sind, wie fatal ihre Vorgehensweise ist. Wie fatal es ist, der Gottesfurcht aus dem Weg zu gehen.

Denn die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis. Die Toren verachten Weisheit und Zucht.

Daher lasst uns bitten, dass Gott uns lehre, ihn zu fürchten.

Amen.

(Andacht über Lukas 12,7 gehalten bei der regionalen Arbeitsgruppe des AEU Augsburg / Schwaben am 26.6.2019)

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