Die Übung von den letzten Dingen

Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.(Lukas 11,9f.)

Geliebte AEU-Gemeinde,

manche von Ihnen wissen es ja vielleicht, dass ich seit bald vier Jahren in einem Projekt für Beschäftigte der AOK Bayern tätig bin. Mein Arbeitsauftrag lautet: „Begleitung in Krisen- und Übergangssituationen“ – und das kann ganz Verschiedenes sein: von einer Krise im Team über eine Strukturveränderung im Bereich bis hin zu Veränderungsprozessen in der Familie, etwa, wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird.

Immer wieder komme ich auch mit den Menschen, die ich da begleite, auf die heutige Tageslosung: „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“

Etwa, wenn Menschen schon lange etwas mit sich herumtragen und es einfach nicht an den Mann, die Frau bringen. Oder wenn sie schon lange mit einer Idee schwanger gehen, aber sich nicht trauen, sie umzusetzen. Oder wenn sie einen Wunsch, eine Bitte haben an jemanden, aber diese nie zur Sprache gebracht haben. „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ – das ist ein wunderbares Bild, mit dem man schön im Gespräch spielen kann.

„Wahrscheinlich wissen Sie es ja, aber nur wenn man anklopft, besteht überhaupt die Möglichkeit, dass sich eine Tür für Sie öffnet. Erst dann weiß ja der andere auf der anderen Seite, dass Sie überhaupt da stehen. … Natürlich besteht das Risiko, dass dann doch keiner aufmacht. Und dann? Kann man ja zur nächsten Tür gehen. Könnte ja sein, dass das nicht die richtige Tür war für Sie. …

Und übrigens – wenn eine Tür sich nicht öffnet, ist die Lösung sicher nicht, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Das verursacht am Ende nur Beulen.“

Das sind nur ein paar Beispiele, wie fruchtbar dieses Bild in einem Seelsorgegespräch genutzt werden kann. Wie reich ist die Bibel doch an solchen Bildern und Anregungen fürs Gespräch!

Nun steht aber dieses Bild in einem Kontext, der noch einmal eine andere Dimension aufmacht, die über das Zwischenmenschliche des Seelsorgegesprächs hinausgeht, was aber in einem solchen Gespräch implizit immer auch mitschwingt, sofern es sich um Seelsorge handelt.

Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.

Und das ist nur der engere Kontext. Wer weiter schaut, wird feststellen: Hier geht es ums Beten. Am Anfang des Kapitels 11 im Lukasevangelium bitten die Jünger Jesus: „Lehre uns beten.“ Und Jesus bringt ihnen das VaterUnser bei. Man könnte sagen: da geht es um die Inhalte des Betens. Und hier nun geht es um die Haltung. Und so eine Haltung, die hat man nicht einfach, die entsteht, indem man betet.

Beten, das ist eine eschatologische Übung. Da geht es um die letzten Dinge, um die letztgültigen Dinge – und damit um alles. Es geht um die letzten Fragen – am Ende geht es in ja in unserem Sorgen, das in unseren Gebeten zur Sprache kommt, um Leben und Tod, um Leben, das gelingt, und Leben, das scheitert oder zu scheitern droht.

Und ja, es geht damit auch besonders um die Frage, wer Gott in all dem ist. Wird Gott geben, wenn ich bitte? Oder was wird Gott geben? Wird Gott die Tür öffnen, wenn ich anklopfe? Und wie wird Gott sie öffnen? Werde ich dank Gott finden, was ich suche? Oder was werde ich dank Gott finden, wenn ich suche?

Beten ist eine eschatologische Übung, weil wir im Beten lernen, wer Gott schließlich und endlich ist. Weil wir im Beten glauben lernen, wie Gott tatsächlich – und nicht nach unseren Gedanken und Wünschen – ist. Weil wir uns im Beten hineinnehmen lassen in Gottes Geben, in Gottes Auftun, in Gottes Finden – kurz gesagt: in Gottes schöpferisches Wirken. Weil wir im Beten wahrnehmen lernen, wie Gott schon heute an uns und unserer Welt den neuen Himmel und die neue Erde, auf die wir warten, erschafft.

Gott erschafft sie im Gebet, das uns zu beten aufgetragen ist, nach seinem Willen, so wie wir eben bitten: „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ Amen.

(AEU München/Bayern am 17.10.17)

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