Wider die Furcht

Paulus schreibt diese Zeilen an eine Gemeinde, die zutiefst verunsichert ist angesichts von Todesfällen in ihrer Mitte – weil Brüder und Schwestern im Herrn den Tod geschmeckt haben vor der Zeit seiner minütlich erwarteten Wiederkunft. 

Wie kann das sein? Was ist mit ihnen nun? Werden wir sie wiedersehen? Oder hat sich die Pauluspredigt über den auferweckten Herrn, der doch jeden Täufling zu sich zieht, nun erledigt?

Uns mögen diese Fragen fremd erscheinen, weil wir schon längst in der ein oder anderen Tradition stehen, die diese Fragen souverän geklärt hat: natürlich sind unsere Verstorbenen bei Gott, natürlich werden wir sie wiedersehen, natürlich sind sie in unseren Herzen, natürlich hören und sehen sie uns. Das ist nur eine Auswahl der Antworten, die die Gewissheit eines Lebens nach dem Tode atmen, die Paulus dieser Gemeinde als Hilfestellung auf ihre Fragen mit auf den Weg gibt.

Aber nehmen uns diese Antworten die Furcht vor dem Tod mitten im Leben, eine Furcht, die die Menschen derzeit umtreibt, wenn sie die Ausbreitung des Coronavirus verfolgen, sich über Risiken und Schutzmaßnahmen informieren und selbst welche ergreifen?

Wenn wir uns dies fragen, mag es hilfreich zu sein, die Furcht in den Blick zu nehmen, die Paulus in dem Abschnitt seines Briefes thematisiert, den ich verlesen habe. Es ist nicht die Furcht vor dem Tod mitten im Leben. Es ist die Furcht, das Leben zu verpassen, das der auferstandene Herr ermöglicht, seinen Tag X völlig zu verpennen – und dies womöglich auch noch bei höchster physischer und psychischer Lebendigkeit. Daher der Hinweis, nicht zu pennen, sondern wachsam und nüchtern zu bleiben, daher der Hinweis, den Schutzanzug des Glaubens und der Liebe und den Kopfschutz der Heilshoffnung zu tragen.

Paulus redet offensichtlich von etwas anderem, das es zu bewahren gilt als das nackte physische Überleben, vor dessen Verlust wir uns angewöhnt haben, uns zu fürchten. 

Wobei wir doch wissen, so wie die Gemeinde in Thessalonich, dass Menschen sterben, dass das nackte Überleben einmal in Erde, Asche und Staub endet.

Ich möchte, wenn ich dies sage, mich um Gottes willen weder über die Furcht vor dem Tode erheben noch dem irdischen Leben in spiritualisierender Weise seine Würde nehmen. Das kann ich gar nicht, denn in unserer nackten Lebendigkeit hat Gott uns geschaffen. Aus Erde, Adama, und seinem Geist, Ruach, formte er jeden von uns als Adam und Eva.

Nein, mir geht es vielmehr darum, gerade jetzt nicht aus dem Blick zu verlieren, was Paulus als Verheißung verkündet in diesem Abschnitt seines Briefes, der die heutige Tageslosung ist:

Denn uns hat Gott nicht für sein Zorngericht bestimmt, vielmehr sollen wir das Heil erlangen durch unseren Herrn Jesus Christus.

Was er den Thessalonichern schreibt, das können auch wir gut hören. Denn auch unser Leben und unser Vergehen stehen unter einer Hoffnung und Verheißung, die viel stärker und sicherer ist als alles, mit dem wir meinen, unser Leben retten zu können. Wir können sprichwörtlich die Rüstung des Glaubens und der Liebe und den Helm der Heilshoffnung aufsetzen und uns geborgen und geschützt wissen, in Gesundheit und Krankheit, in Furcht und Gewissheit, in Trauer und in Freude.

Der Herr kommt und mit ihm das Leben, das uns verheißen ist. Daher: Fürchtet euch nicht!

Amen.

(Andacht über 1.Thessalonicher 5,1-11 gehalten bei der regionalen Arbeitsgruppe des AEU München/Bayern am 3.3.2020)

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